Drei bis vier Stunden dauert es, die überwiegend mit Splitt befestigte Strecke abzulaufen. Es ist sogar eine offizielle Abkürzung ausgewiesen, mit der sich annähernd vier Kilometer sparen lassen. Allerdings verpasst man so die größte und imposanteste der Kapellen sowie einen mittels zahlreicher Informationstafeln besonders lehrreichen Abschnitt. Ein Faltblatt mit Landkarte und Kurzbeschreibung der Etappenziele steckt im Prospektständer vor dem Musikerheim.
Die erste Station des Wegs liegt am Ortsrand und ist nach kurzem Marsch entlang der Durchgangsstraße in Richtung Hammelburg schnell erreicht. Gemeinhin gilt das Kirchlein aus dem grünen Sandstein der Vorrhön als die Franzosenkapelle. Napoleonische Truppen waren im Juli und September 1796 durch den Ort gezogen. Die Bevölkerung erflehte den Schutz der 14 Nothelfer offensichtlich nicht vergeblich, sodass sie ihnen im darauffolgenden Jahr dieses Bauwerk widmete.
Den Mittelteil des klassizistischen Altars flankieren die Figuren zweier ebenfalls populärer Heiliger, die vor Bedrängnis bewahren sollen – St. Wendelin vor „grassierenden Viehfall“ und St. Sebastian vor „allgemeinen Nöthen“. Und für alle Fälle ziert noch ein Relief mit einem Engel Gottes den Eingang. Der Fuchsstädter Obst- und Gartenbauverein sorgte 2015 für eine umfassende Sanierung dieser Kapelle.
Ein Weg - vier Kapellen
Vier in Bezug auf Ursprung und Stil völlig verschiedene Kapellen gibt es rund um Fuchsstadt (Landkreis Bad Kissingen). Ein rund elf Kilometer langer Rundweg verbindet dieses Quartett. Das entsprechende Wanderzeichen zeigt sieben unterschiedlich lange Kanthölzer, wie sie beim Bau der jüngsten, der Dreifaltigkeitskapelle, verwendet wurden. Sie symbolisieren die einzelnen Menschen mit ihren individuellen Eigenschaften als Teil der Gemeinschaft.
Die entgegen dem allgemeinen Trend wachsende Gemeinde Fuchsstadt mit ihren nicht ganz 2000 Einwohnerinnen und Einwohnern gewann heuer im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ auf Bezirksebene eine Goldmedaille; das Ergebnis des Landesentscheids wird Ende Oktober bekannt gegeben. Bislang punktete „Fuscht“ vor allem mit seinen nachhaltigen Angeboten für Jung und Alt. Unter dem Stichwort Freizeit fand die Jury auch für die Kapellenrunde lobende Worte.
Erste Station ist schnell erreicht
Dreifaltigkeitskapelle
Weiter geht es zur Dreifaltigkeitskapelle. Für die Verwirklichung der jüngsten der vier Kapellen wurde ein eigener Verein gegründet. Er brachte dank der Spendenfreude vieler Privatpersonen und Firmen die nötigen 40000 Euro ohne finanzielle Unterstützung durch die politische Gemeinde auf. Baubeginn war im September 2012. Freiwillige aus dem Dorf leisteten insgesamt 2450 Arbeitsstunden. Die Planung und der zentrale Einrichtungsgegenstand stammen ebenfalls von Fuchsstädtern: von dem Architekten Mario Hugo und dem Bildhauer Ralph Hartan. Letzterer schuf eine Kugel aus Jurakalkstein, in die er ein Gesicht, eine Hand und eine Taube meißelte. Sie stehen für Gottvater, Jesus Christus und den Heiligen Geist.
Auch der Grundriss des Gebäudes, ein gleichseitiges Dreieck mit neun Meter langen Schenkeln, verweist auf die Trinität. „Geplant und entworfen auf der Grundlage christlicher Ikonographie und klassischer Architektursprache“, heißt es auf einer Cortenstahlstele am Hang. Weiter: „Gewidmet ist sie (Anm. d. Red.: die Kapelle) der Tatkraft und dem Stolz der vergangenen Generationen und dem Hoffen und Vertrauen in die zukünftigen.“ Unbehandelte, grob gesägte Eiche „umgürtet“ den Gebetsraum; die unregelmäßigen Kanthölzer verdeutlichen, dass jedes Individuum für den Verbund gebraucht wird und dabei dennoch ganz es selbst bleibt.
Den Bezug zum Glaubensmittelpunkt von Fuchsstadt, zur barocken Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, stellt eine Linie in der Kapelle her, deren gedachte Verlängerung bis zur Turmspitze unten im Tal reicht. Auf weiteren Stahlstelen werden Dankbarkeit, Verantwortung und Glaube hervorgehoben.
Vorbei an einem ehemaligen Steinbruch führt der Weg dann auf der Höhe zur entferntesten Stelle der Tour. Im Deutschen Krieg 1866 verbarg sich die Fuchsstädter Bevölkerung in und an der zwei Jahre zuvor neben einer damals fast 1000-jährigen Eiche erbauten Lauerbachkapelle. Der Baumriese wurde 1983 gefällt, ist aber als mannshoher Stumpf noch zu erkennen. Eine Frau hatte hier eine Ohnmacht und einen Blutsturz erlitten. In einer Vision wurde ihr aufgetragen, dieses Kirchlein zu stiften. Der Guardian des Klosters Altstadt in Hammelburg schenkte eine Muttergottesstatue dazu.
Von Bischof Ehrenfried geweiht
Zurück Richtung Dorf geht es nicht wie bisher über die offene Flur, sondern durch den Forst. Die ständig erwartete vierte Kapelle taucht lange auf keiner Lichtung auf, obwohl immer wieder Läuten durch die Baumwipfel dringt. Die Wandersleute werden an Zwischenstationen unterhalten und „aufgeschlaut“ durch Texte über das Feldgeschworenenwesen, den Hutewald sowie die Linde und die Schwarzkiefer. Dann endlich ist die Glocke nicht mehr nur zu hören, sondern auch frei im gemauerten Turm hängend zu sehen. Von allen, die heraufsteigen, wird erwartet, dass sie am Strick ziehen und das Metall zum Klingen bringen. Die Stahlglocke hatte ab 1917 als Ersatz für die beiden beschlagnahmten Bronzeglocken der Pfarrkirche gedient.
1933 hinterlegte jemand anonym die Summe für den Bau einer Kapelle. Nach der Genehmigung durch den Gemeinderat konnten die ortsansässigen Maurer loslegen. Bischof Matthias Ehrenfried weihte die Kohlenbergkapelle im Mai 1935. Sie erinnert daran, dass Jesus Christus die Menschheit durch sein Leiden und Sterben erlöst hat. Das Altarkreuz dient als zwölfte Station des bergwärts führenden Kreuzwegs.
Heiliger Franziskus
Das letzte Stück läuft der Fuschter Natur- und Kulturweg mit einem Meer an Wacholderbüschen parallel zum Kapellenwanderweg. Ab dem Standbild des Tierfreundes St. Franziskus säumen hunderte Obstbäume die Straße zunächst durchs Neubaugebiet und dann hinunter in den Altort. Dreh- und Angelpunkt des örtlichen Geschehens ist das Mehrgenerationenhaus „Eulentreff“. Die Fuschter identifizieren sich lieber mit der Weisheit der Eule als mit der Verschlagenheit eines Fuchses. Der Fuchs gelangte letztlich aufgrund von Lautverschiebungen ins Gemeindewappen. Fuchsstadt bedeutet eigentlich „Wohnstätte des Fusso“. 907 soll dieser Siedler seinen Hausstand gegründet haben.
Bernhard Schneider