Jakobsweg
Der Jakobsweg ist bei Einzelwallfahrern und Pilgergruppen sehr beliebt.
In Unterfranken kann man auf mehreren Routen auf dem traditionsreichen Pfad wallfahren.
Er führt beispielsweise von Fulda kommend über den Kreuzberg und Schweinfurt nach Würzburg. Ebenfalls in Würzburg landet man, wenn man dem Jakobsweg von Lichtenfels aus folgt.
Von Würzburg aus geht es auf dem Fränkisch-schwäbischen Jakobsweg zunächst über Ochsenfurt und Uffenheim nach Rothenburg ob der Tauber und dann weiter in Richtung Ulm. Eine andere Wegestrecke führt von Rothenburg nach Rottenburg am Neckar. Von Aschaffenburg aus kann man auch Richtung Süden laufen. Hier geht der Weg in Richtung Colmar und Basel über Leidersbach, Engelberg und Miltenberg weiter nach nach Walldürrn und Heilbronn.
Ausführliche Informationen über den Jakobsweg in Franken und Bayern hat die Fränkische St. Jakobusgesellschaft in Würzburg zusammen gestellt. Dort findet man auch weitere Informationen über Pilgerherbergen, Unterkünfte sowie Schwierigkeiten und Schönheiten der Wegstrecken.
„Mit der Seele gereist"
Kinder und Erwachsene pilgern den Jakobsweg nach Santiago
Sie hat es geschafft. Mit Tränen in den Augen und vor Schmerz zusammengekniffenen Lippen steht sie vor der evangelischen Jakobuskirche in Schainbach/Wallhausen, rund 30 Kilometer von Rothenburg o. d. Tauber entfernt. Debbi Dominski (43) aus Kitzingen umarmt ihre Freundin, die dem stummen, tränenreichen Blick nur drei Worte entgegnet: „Du bist angekommen!" Mit zwei kaputt geriebenen Zehennägeln und blutigen Blasen an beiden Füßen hat Debbi es geschafft – und das, obwohl es ihr keiner zugetraut hatte, erzählt sie: „Als ich zuhause davon sprach, dass ich die erste Etappe des Jakobusweges fünf Tage lang mitlaufen möchte, haben sie nur geschmunzelt. ‚Das schaffst du nie' haben sie gesagt." Bei diesen Worten bekommt ihr Blick etwas Kämpferisches. „Da habe ich mir gesagt: Jetzt erst recht!"
Beim Start an der Abtei Münsterschwarzach am Dienstag nach Pfingsten sind es hundert Schüler, Eltern, Lehrer, Verwandte und Freunde des Münsterschwarzacher Egbert-Gymnasiums gewesen, die die erste Etappe nach Santiago de Compostela unter dem Leitwort „Eine Schule bricht auf" begannen. 116 Kilometer pilgerten sie in fünf Tagen entlang des fränkischen Jakobusweges. In den nächsten zehn bis zwölf Jahren wollen sie über jährliche Etappenziele das Grab des Heiligen in Santiago erreichen.
Punkt neun Uhr am Mittwochmorgen, dem zweiten Tag des Pilgerns, steht ein Teil der Gruppe vor dem Kolpinghaus in Ochsenfurt. Die restlichen Pilger haben in der Jugendherberge übernachtet, auf dem Weg zum Ortsausgang wird man sich treffen. Schon jetzt lassen die Sonnenstrahlen erahnen, dass es wieder heiß wird. Pater Jonathan Düring zieht vom ersten Streckenabschnitt Resümee: „Es war sehr anstrengend gestern, rund 30 Kilometer durch die Hitze zu laufen. Unter jedem Bäumchen, das Schatten warf, tummelten sich die Leute und machten eine kurze Rast." An diesem Tag haben die Pilger dazu gelernt: Alle tragen Kopfbedeckungen, einige schmieren sich noch rasch Sonnencreme auf die Arme und ins Gesicht. Und die Füße? „Sind gut verpackt in eine dicke Schicht Blasenpflaster", erklärt ein Familienvater. „Solche Blasen hatte ich bisher noch nie. Aber es muss weitergehen. Wir machen ja nicht schon am Anfang schlapp." Bereits am ersten Tag hat Pater Jonathan aus diesem Umstand eine Erkenntnis gewonnen, erklärt er, während er sich seinen knallroten Sonnenhut aufsetzt. „Die ersten Schmerzen und Blasen gab es in Höhe Kitzingen nach dem Start in Münsterschwarzach. Solange reichte das Hochgefühl des offiziellen Abschieds, denn in der Abtei läuteten alle Glocken, wie sonst nur an Hochfesten. Der Weg führt schon am ersten Tag an die Grenzen. Aber es geht weiter – mit einem beherzten ‚Ja!'".
Vielen tun die Füße weh, falsche Schuhe und Strümpfe sorgten direkt beim ersten Marsch für Wunden und Blasen durch die teils ungewohnte Anstrengung. Gerd Schneider aus Euerfeld hat da gut Lachen – und einen Tipp. „Wir wechseln die Socken die ganzen Tage nicht, es wird immer nur gelüftet und getrocknet." Die Blasen sind auch für eine ältere Pilgerin ein Thema, wie sie unterwegs zur ersten Station in Tückelhausen erklärt: „Gestern hatte ich vier Blasen in meinen Wandersandalen. Beim Gehen sagte mir Pater Jonathan, ich trüge die Schmerzen eines anderen – da ging es dann gleich leichter. Ein schöner Gedanke. Ich musste sofort an meine 82-jährige Mutter denken. Viele Jahre schon plagt sie schweres Rheuma. Welche Schmerzen muss sie dann erst erleiden?"
Die Wanderschuhe knirschen auf den Schottersteinchen des breiten Wanderweges, die Luft durchzieht ein kräftiger Bärlauchduft, denn im Schatten am Wegrand blühen große Flächen des Krauts. Im Gebüsch zeigt plötzlich im Gehen ein junger Pilger auf einen großen Stecken. Kurzerhand zieht der neben ihm laufende Vater den Ast aus dem Gebüsch und überreicht ihn dem jüngeren seiner zwei Söhne. „Da muss ich dann jetzt aber auch eine Muschel reinritzen, oder?" Die Mutter lacht ihn beim Weiterlaufen an. „Dafür hast du die nächsten Jahre Zeit, bis wir in Santiago sind."
Am Karthäuserkloster in Tückelhausen angekommen geht es nach einer kurzen Verschnaufpause in die Kühle der Klosterkirche zur Andacht. Laut Routenplan sind es noch rund zwölf Kilometer bis zum heutigen Etappenziel Aub; der Fränkische Jakobsweg schlägt aber mehrere Haken und so kommen einige zusätzliche Kilometer auf die Jakobspilger zu. Einen besonderen Service hat darum die Abtei Münsterschwarzach organisiert: Auf der diesjährigen Tour müssen sie ihr Gepäck noch nicht tragen, die Rucksäcke werden hinterhergefahren. Weiter geht es darum recht leichtfüßig für denjenigen, der keine wehen Zehen hat, durch das landschaftlich schöne Thierbachtal, vorbei an Acholshausen. Automatisch finden sich die Jakobspilger auf den weiteren Kilometern zu Kleingruppen zusammen.
Mittendrin läuft Organisator Peter Olschina, mit Sonnenbrille und -hut, das japanische Pilgerschweißtuch vom Fuji um den Hals gehängt. Das hat er sich extra von Verwandten aus Japan mitbringen lassen. „Weil es sehr praktisch ist." Seine Ehefrau Monika ist bereits vorgelaufen. Olschina hat hier und jetzt seinen Traum wahr gemacht: Schon vor Jahren wollte er mit seiner Schule, an der er seit 23 Jahren unterrichtet, gemeinsam nach Santiago aufbrechen. Ein Kollege ging den Jakobsweg mit Schülern in Spanien und schwärmte von diesem Erlebnis. Das hat Peter Olschina nie mehr losgelassen, erinnert sich der Lehrer für Deutsch, Religion, Geschichte und Literatur. Die Umsetzung der Idee begann vor drei Jahren, Einleitung und Startschuss gab in der Woche vor Pfingsten ein eigens inszeniertes Theaterstück über den heiligen Jakobus, das die Schüler in ihrer Schule großrahmig aufgeführt hatten.
Vom Pilger-Fieber infiziert sind auch die Schüler Leonie Fries (14), Nicole Hufnagel (17) und Stefan Sauerbrey (17) teils mit ihren Eltern losgezogen und haben sich mit schweren Rucksäcken auf den Weg gemacht. Nicole ist am zweiten Tag überzeugt davon, ihren 15-Kilo-Trekkingrucksack bis nach Schainbach zu tragen. Am Ende des Tages, entkräftet von Hitze und körperlicher Anstrengung, wird sie in den nächsten Tagen dann doch auf den Gepäck-Service der Abtei zurückgreifen. Flankiert von ihren Freunden schleppt sie aber an diesem Tag ihre Last über das Gau, durch die Wiesen und Felder bis Aub. Hohe Anerkennung gibt es nicht nur für sie von vielen Erwachsenen aus der Pilgergruppe, weiß Jonathan Düring: „Die Kinder und Jugendlichen ernten Schulterklopfen, weil sie es durchhalten und ebenso schaffen, wie die Großen. Das macht sie sehr stolz", verrät der Benediktinerpater bei einer Pause an der Schutzengelkirche in Gaukönigshofen. Im Schatten eines Baumes packt man gemeinsam die Vorräte aus, tauscht Wiener Würstchen und Knäckebrote untereinander aus. Dann holen sie sich im Pfarrbüro ihren Pilgerstempel ab. Die müssen alle erst auf Zetteln sammeln, den Pilgerausweis gibt es aus organisatorischen Gründen erst am Ende der Woche. Pater Jonathan genießt die Pause; im Gras sitzend, seine Brezel kauend, erklärt er das Besondere am Laufen: „Das Tolle am Pilgern ist, immer auf dem Weg zu sein, Sehnsucht danach zu haben, sich selbst zu spüren. Man geht gemeinsam und doch geht jeder für sich – denn es sind die eigenen Blasen, die man spürt".
Die Mittagssonne steht inzwischen senkrecht, als die Pilger weiter den Muschelwegweisern folgen. Richtig genießen und sich auf den Weg einlassen kann Peter Olschina jetzt nur bedingt – zu groß ist noch die Sorge darum, dass auch alles gut läuft. „Unser primäres Ziel in diesem Jahr ist es, dass es allen gut geht. Wenn die Organisation in den kommenden Jahren eingespielt sein wird, werden wir automatisch mehr Raum für die Spiritualität der Pilgerns haben." Seine ganz eigene Erfahrung mit Santiago hat Peter Olschina darum erst einmal nur aus vielen Büchern: „Etwa 20 habe ich gelesen, Meditationen und Gebete rausgesucht. Darauf wird sich meine spirituelle Erfahrung in diesem Jahr begrenzen." Im September wird es ein Nachtreffen aller Beteiligten geben – dann werden Aufgaben verteilt, erklärt der Gymnasiallehrer. „Wir haben viele Hilfsangebote aus dem Pilgerkreis. Der Weg führt uns 2009 bis nach Ulm; dort haben wir einige Bekannte, kennen Massenunterkünfte und die Gastronomie, sodass sie bei der Vorbereitung und Planung mithelfen können."
Nach wie vor ist die große Gruppe geteilt: Rund 20 Pilger laufen vorndran, ein großer lockerer Mittelteil hat sich gebildet, eine Hand voll Pilger bilden das Schlusslicht. „Auch wenn man sich nur unregelmäßig sieht, gefällt vielen die Gemeinschaft, weiß Margit Burkard-Meyer aus Dettelbach. Sie hat die Strecke zusammen mit ihrem Sohn Maximilian (11) gemeistert: „Das Gruppengefühl ist total stark. Mit jedem ist man per Du. Man kommt in ganz andere Gespräche hinein und vergisst wirklich den Alltag." Christian Treske (11), der mit seinem Vater Stefan und dem Kuschelhasen am Rucksack mitpilgert, hat auch so seine ganz eigenen, existentiellen Erfahrungen gemacht: „Ich weiß jetzt, wie viel ein Glas Wasser wert ist, wenn man Durst hat. Unsere Flaschen waren leer und ich bin fast verdurstet, da sind wir in ein Autohaus rein und haben den Wasserspender halb leer getrunken!" Als die Letzten in die Jakobuskirche in Schainbach/Wallhausen einlaufen, fängt es seit Tagen zum ersten Mal an zu regnen. Die Pilger klatschen, draußen prasselt der Regen leise – ein gelungener Abschluss für eine Woche Sonnenschein auf dem Fränkischen Jakobusweg in Richtung Santiago.