Vom äußeren zum inneren Reichtum
1) Lob des Dreieinigen Gottes
An der ersten Station erwartet den Wanderer eine gut drei Meter hohe Franziskusfigur aus Holz. Der Brustbereich der Figur ist ausgehöhlt und golden bemalt und bringt so Franziskus’ Erkenntnisweg und seine innere Geisteshaltung zum Ausdruck: „Auch Franziskus musste erst innerlich leer werden, um Raum zu schaffen für das Neue, ihm Wertvolle!“
Höchster, allmächtiger, guter Herr,
Dein ist das Lob, die Herrlichkeit und Ehre
und jeglicher Segen.
Dir allein gebühren sie, Höchster,
und kein Mensch ist würdig, Dich zu nennen.
2) Schwester Wasser
Die nächste Station ist Schwester Wasser gewidmet. Beruhigend wirkt das Plätschern des Wassers, das hier aus der Erde dringt. Zugleich ist die unablässig Wasser spendende Quelle ein immerwährendes Angebot an jeden Menschen – wie Gott selbst, der sich als Lebensspender anbietet. Er überlässt dabei jedem einzelnen die Entscheidungsfreiheit. „Ich entscheide, ob ich es in mich aufnehmen will!“
Gelobt seist Du, mein Herr,
für das Wasser,
sehr nützlich ist es
und demütig und kostbar und keusch.
3) Mutter Erde
Zur dritten Sonnengesang-Station muss der Wanderer einige Schritte in den Wald hinein gehen. Zunächst kommt er an einem Tierbaum vorbei: Eine Schafherde aus sich aneinander schmiegenden Tieren wird von einem Wolf beherrscht. In Anspielung auf die Geschichte vom Wolf von Gubbio verweist die Skulptur darauf, dass es den Wolf auch im Inneren eines jedes Menschen gibt: „Ich kann ihn nicht besiegen, aber zähmen.“ Etwas weiter stehen drei spiralförmig gestaltetet Holzsäulen. Sie stellen die menschliche DNS-Spirale dar: Eine ist gleichmäßig geformt, eine zweite weist Unebenheiten auf, eine dritte ist technisch verändert. Die DNS wird so als Baustein des Lebens und Schöpfungsgeschenk interpretiert, die sich aber zugleich der Machbarkeit durch den Menschen entzieht.
Gelobt seist Du, mein Herr,
für unsere Mutter Erde,
die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervorbringt
mit bunten Blumen und Kräutern.
4) Bruder Mond und Geschwister Sterne
Ausgefallen und überaus gelungen ist auch die Umsetzung der Gestirne. Gespannt betritt der Besucher hier eine stillgelegte Trafostation und blickt nach oben: Durch Solarstrom wird ein künstlicher Sternenhimmel suggeriert, der die enorme Dimension der Schöpfung vor Augen führt: Wie klein bin ich im Vergleich zum Universum – „und dennoch gewollt, geliebt und gehalten.“ Die Gestirne werden so nicht nur zu „Wegzeichen für Schiffe und Raumgleiter und für die Hirten und Weisen“, sondern auch für mich.
Gelobt seist Du, mein Herr,
für den Bruder Mond und die Sterne,
am Himmel hast Du sie geformt,
klar und kostbar und schön.
5) Schwester Sonne
Schwester Sonne begegnet in einer hoch aufragenden Holzstele mit einer Sonnenscheibe im Herzen. Die Huldigung an das LUX AETERNA kann auch als moderne Monstranz gelesen werden, die das Lebensmittel Sonne und /oder Jesus Christus im eucharistischen Brot birgt.
Gelobt seist Du, mein Herr,
mit all Deinen Geschöpfen,
besonders der Schwester Sonne,
die uns den Tag schenkt und durch die Du uns leuchtest.
Und schön ist sie und strahlend mit großem Glanz:
von Dir, Höchster, ein Sinnbild.
6) Bruder Tod
Station sechs beschäftigt sich mit dem Un-Thema des modernen Menschen: dem Tod. Eine in Holz geschnitzte Menschengruppe grenzt den Tod als Teil des Lebens aus: „Wir Menschen wollen den Tod nicht wahrhaben, wir wenden uns ab.“ Aber auch: Menschen erleben den sozialen Tod durch Ausgrenzung.“ Das nur wenige Schritte weiter liegende sterbende Reh aus Holz interpretiert die Haltung des Sterbens als embryonale Haltung, als Symbol neuen Lebens. Die Künstlerin will im irdischen Leben und dessen Ende gar die embryonale Phase unseres späteren Lebens sehen. Geburt und Tod werden so zu zentralen Bestandteilen des immerwährenden Kreislaufs von Werden und Vergehen.
Gelobt seist Du, mein Herr,
für unseren Bruder, den leiblichen Tod;
kein lebender Mensch kann ihm entrinnen.
Wehe jenen, die in tödlicher Sünde sterben.
Selig, die er finden wird in Deinem heiligsten Willen,
denn der zweite Tod wird ihnen kein Leid antun.
7) Frieden
Die siebte Station wird durch eine Brücke über einen Bach gebildet. In ihr Geländer sind Hände eingearbeitet, die einander ergreifen und sich versöhnen. Eine gelungene und ansprechende Aufforderung, selbst zum Werkzeug des Friedens, zum Brückenbauer zu werden.
Gelobt seist Du, mein Herr,
für jene, die verzeihen um Deiner Liebe willen
und Krankheit ertragen und Not.
Selig, die ausharren in Frieden,
denn Du, Höchster, wirst Sie einst krönen.
8) Bruder Feuer
Zwiespältige Empfindungen löst Bruder Feuer beim Betrachter aus. Wie ein lichtes, wärmendes Kaminfeuer, ein Feuer der Begeisterung wirkt die Flammenstele auf der einen Seite; bedrohlich erscheint dagegen der Weg durchs Feuer auf der anderen Seite. Auch der ausführenden Künstlerin war diese Doppelschneidigkeit des Feuers wichtig: „Ich wünsche mir, dass Menschen für andere durchs Feuer gehen. Das bedeutet aber auch ein hohes Risiko!“ Denn das Feuer ist Helfer, wenn es demütig ist, wenn es aber diese Demutsgrenzen überschreitet, kann es gefährlich, ja sogar tödlich werden.
Gelobt seist Du, mein Herr,
für das Feuer,
durch das Du die Nacht erhellst.
Und schön ist es und fröhlich und kraftvoll und stark.
9) Bruder Wind
Ein aus einem Baumstamm herauswachsendes Boot mit einem immensen Segel bietet Bruder Wind Angriffsfläche. „Nur wenn ich mein Segel in den Wind stelle, kann ich aufbrechen zu neuen Ufern und die Power Gottes in mich aufnehmen.“ Zugleich kann der Wind als zum Symbol für die bewegende Kraft des Heiligen Geistes für alle Menschen gedeutet werden. Denn: „Wir sitzen alle in einem Boot.“
Gelobt seist Du, mein Herr,
für den Bruder Wind,
für Luft und Wolken, für heiteres und jegliches Wetter,
durch das Du Deine Geschöpfe am Leben erhältst.
10) Alles, was atmet, lobe den Herrn!
An exponierter Stelle, auf einer sonnenbeschienenen Wiesen-Anhöhe, steht die zehnte Station des Weges. Sie ist dem Lobpreis der Schöpfung gewidmet: „Alles was atmet, lobe den Herrn“. Inspirationsquelle war hier das Gebet eines afrikanischen Christen, das das poetische Bild enthält: „Ich werfe meine Freude wie Vögel an den Himmel.“ Daraus entstand die transparente Holz-Metall-Konstruktion, die einen Vogelschwarm zeigt, der der aufgehenden Sonne entgegenflattert. Dahinter schweift der Blick in die Weite und auf die hügelige Rhönlandschaft und erweckt selbst im nüchternsten Betrachter ein Gefühl von Freude, Glück und innerer Ruhe.
Lobet und preiset den Herrn
und dankt und dient ihm
mit großer Demut.
Gedanken auf dem Lebensweg
In die Kunststationen ist ein Lebensweg mit sieben Lesestationen eingeflochten. Illustriert durch überdimensionale Bilder aus dem Alltag von Menschen unserer Zeit werden dem Wanderer hier allgemeingültige Reflexionen und Meditationen zum Thema „Lebensweg“ angeboten, die zugleich gedanklich an Franziskus heranführen. Die Themen kreisen um das Unterwegs-Sein, die Überholspur, Wegkreuzungen, Wegbegleiter und Wegweiser, Umwege und schließlich den Blick ins Weite:
Wenn du an dieser Stelle
noch einmal anhältst und
dich umschaust, hast du
– besonders bei schönem Wetter –
einen wunderbaren Fernblick.
Und vielleicht spürst du,
dass diese Weite dir gut tut.
...
Anja Legge