„Ich hab meine Augen auf den Berg Carmelum gehoben, Dahero mir Mariae Hülff wird kommen von oben." Diese Inschrift am Westportal der Maria-Hilf-Kapelle am nördlichen Ortsausgang von Zellingen enthält in wenigen Worten die Begründung für den Bau dieser stattlichen Landkapelle. Als bewusste Anlehnung an den Berg Karmel als Gründungsort des Karmelitenordens führt sie direkt zur Zellinger Skapulierbruderschaft, die die Kapelle zwischen 1677 und 1685 als Bruderschaftskapelle errichtet hat.
Vor allem im 18. Jahrhundert wuchs die Mitgliederzahl dieser drittordensähnlichen Gemeinschaft beständig, und auch die Kapelle entwickelte sich zu einem vielbesuchten Wallfahrtsort. Herzstück der Verehrung war eine Kopie der viel verehrten Madonna mit dem heiligen Skapulier, einem ordenskleidähnlichen, braunen Tuchstückchen, das die Muttergottes einst dem Karmelitenpater Simon Stock als Unterpfand des Heiles übergeben haben soll.
Heute dient die Maria-Hilf-Kapelle vor allem als zusätzlicher Gottesdienstraum neben der Pfarrkirche sowie als Friedhofskapelle für den umgebenden Friedhof. Die über 350 Jahre alte Skapulierbruderschaft feiert noch heute im Juli ihr jährliches Bruderschaftsfest.

Vom Geist des Karmels getragen
Die Kapelle ist tagsüber geöffnet.
Die aktuelle Gottesdienstordnung des Bereiches Zellingen / Pastoraler Raum Karlstadt finden Sie hier.
Gemeinsames Pfarrbüro St. Georg
Schulplatz 7
97225 Zellingen
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Von der Leuchtenbruderschaft zur Skapulierbruderschaft
Die Geschichte der Zellinger Maria-Hilf-Kapelle ist eng mit der bis heute lebendigen Skapulierbruderschaft verknüpft. Die Anfänge dieser Gemeinschaft reichen bis in das Jahr 1252 zurück: Bereits 1251 hatte Zellingen eine neue Pfarrkirche erhalten, die „Zu Ehren der Allerseeligsten Gottesmutter Maria" geweiht worden war. Dieser Kirche verlieh Bischof Heinrich IV von Eichstätt 1252 einen Ablass, so dass aus der einfachen Pfarrkirche bald ein lokaler Gnaden- und Wallfahrtsort wurde. Durch diesen Umstand fühlte sich die Zellinger Jugend bewogen, sich zu einer „Bruderschaft Mariä zu Ehren" zusammenzuschließen. Neben zwei Jahrtagen stiftete die Bruderschaft einen „Ewigen Leuchter" vor dem Marienaltar, der für „ewige Zeiten" mit Wachskerzen versorgt werden sollte. Bald traten auch Ritter und Adelige in die Bruderschaft ein und bedachten diese mit großzügigen Stiftungen. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts ging die Gemeinschaft in den Unruhen des Bauernkrieges unter.
400 Jahre nach Gründung der Leuchtenbruderschaft, nämlich im Jahre 1652, gründeten die Würzburger Beschuhten Karmeliten („Reuerer") in Zellingen die „Erzbruderschaft des heiligen Skapuliers vom Berge Karmel". Die Besonderheit dieser drittordensähnlichen Gemeinschaft liegt im so genannten Skapulier: Dabei handelt es sich um zwei braune Tuchstückchen mit dem Bildnis der Muttergottes, die durch zwei schmale Bändchen verbunden sind. Das unter der Kleidung getragene Miniatur-Ordenskleid geht zurück auf den Karmelitenordensgeneral Simon Stock, der das Skapulier in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 1251 von der Gottesmutter Maria erhalten haben soll. Dabei soll sie ihm und allen Karmeliten zugesichert haben: „Wer darin stirbt, wird das ewige Feuer nicht erleiden."




Wallfahrtskirche Zellingen im Bild







Der beliebten Zellinger Bruderschaft sollen bald 4000 Mitglieder angehört haben. Zeitgenössischen Berichten zufolge kamen Jahr für Jahr neue Mitglieder hinzu, die sich mit dem heiligen Skapulier bekleideten und so unter den schützenden Mantel Mariens stellten. Bald kam auch der Wunsch nach einer eigenen Kapelle auf. Doch zunächst musste man sich mit einer Kopie der von den Karmeliten hoch verehrten Maria della Bruna aus der Kirche Santa Maria del Carmine in Neapel zufrieden geben, die 1673 nach Zellingen kam.
Am 20. November 1677 konnte der Grundstein für die Bruderschaftskapelle gelegt werden. Schenkt man dem Bericht des Geschichtsschreibers Ignatius Gropp Glauben, erhielt die neue Kapelle dort ihren Platz, wo ein Mönch des Benediktinerklosters Neustadt am Main um 1670 von Retzbach aus ein glänzendes Licht gesehen haben soll. Der Kirchenbau schritt rasch voran und wurde von vielen Seiten durch freiwillige Mitarbeit und unentgeltliches Baumaterial unterstützt. Am Fest Maria Schnee 1685 weihte der Würzburger Weihbischof Stephan Weinberger die Kirche auf den Namen „Mariae Hilf vom Berge Karmel".
Rasch entwickelte sich die Kapelle zu einem viel besuchten Wallfahrtsort. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts soll der Zustrom so stark wie nach Retzbach und Dettelbach gewesen sein; möglicherweise lag der Grund dafür jedoch auch ganz einfach darin, dass die Kapelle wichtige Raststation für Wallfahrer nach Dettelbach und Walldürn war.
Madonna mit dem Skapulier
Bei den Renovierungsarbeiten im Jahr 1892 wurde die prachtvolle barocke Ausstattung entfernt; die alten Barockaltäre sowie die überlebensgroße, in Gold gefasste Kopie der Skapuliermadonna gelangten über Umwege nach Birkenfeld bei Marktheidenfeld, wo die Figur 1932 neu gefasst und in der Pfarrkirche aufgestellt wurde. Verschwunden sind auch sämtliche Weihe- und Votivgaben; lediglich ein einziges Votivbild aus dem Jahr 1685 ist heute noch im Chor zu sehen.
Der heutige frühklassizistische Hochaltar sowie die beiden Seitenaltäre wurden 1780/1788 vom Würzburger Hofbildhauer Johann Peter Wagner geschaffen und stammen aus der nahe gelegenen Wallfahrtskirche Maria im Grünen Tal in Retzbach. Im pompösen Hochaltar-Aufbau ist der Gekreuzigte mit Maria und Johannes dargestellt; über dem Kreuz schwebt die Heilig-Geist-Taube und darüber in der Gloriole Gottvater.
Im linken Seitenaltar steht heute glücklicherweise wieder eine Skapuliermadonna: Die 2,70 Meter große, monumentale Holzplastik ist eine in den 1950er Jahren angefertigte Kopie des verloren gegangenen Zellinger Originals. Sowohl Maria als auch das auf ihrem Arm sitzende Jesuskind präsentieren das Skapulier als Unterpfand des Heiles. Bewusst ist die Figur auf einem Schiff platziert und vermittelt so die Botschaft: Wer sich im bewegten Fluss des Lebens an Maria wendet, findet Halt und Richtung!
Der rechte Seitenaltar birgt als Pendant zum Marienaltar eine Josefsfigur. Außerdem beachtenswert ist der neobarocke Seitenaltar im rechten Seitenchor mit teils spätgotischen, teils barocken Reliquien-Büsten der 14 Nothelfer, die sich um eine Halbfigur der Muttergottes („Zierde des Karmel") von Heinz Schiestl (1914) gruppieren. Unter dem Altar befindet sich das Hl. Grab, das am Karfreitag zur Anbetung geöffnet wird.
Lebendige Bruderschaft
Trotz der langen Tradition gibt es in Zellingen kein wirkliches Wallfahrtsgeschehen meh. Umso mehr ist die Kapelle bei den Einheimischen verankert. Auch die Zellinger Skapulierbruderschaft bis auf den heutigen Tag lebendig geblieben: Obwohl die Zahl der Neumitglieder abnimmt, lassen sich noch immer Gläubige in die Bruderschaft aufnehmen. Die feierliche Aufnahme erfolgt stets beim Bruderschaftsfest, das über drei Tage hinweg mit Fest-Gottesdienst, Andachten, Lichterprozession und Festbetrieb begangen wird.
Der Reiz dieser Bruderschaft liegt vermutlich darin, dass Menschen hier – ähnlich wie in einem Dritten Orden – intensiv an der Spiritualität des Karmels teilnehmen können. Die Männer und Frauen wollen die Karmel-Spiritualität in ihren Alltag mit hinein nehmen, um in einer stressgeplagten Zeit zu sich selbst und über Maria zu Gott zu finden. Besonders deutlich wird diese Vermittlungs- und Führungsrolle Mariens in der Darstellung im Hochaltar, wo die Gottesmutter auf den Gekreuzigten weist.
Anja Legge