Auf einer einsamen Lichtung südlich von Frammersbach erhebt sich der mächtige Bau der Kreuzkapelle. Einst hatten hier die Glasmacher der umliegenden Glashütten mit Unterstützung der Aschaffenburger Stiftsherren eine kleine Holzkapelle errichtet. Heute ist die Kreuzkapelle ein beliebter Andachtsort für die Christen aus Frammersbach und den umliegenden Spessartdörfern.
Die Kapelle ist tagsüber immer geöffnet.
Hier finden Sie die aktuelle Gottesdienstordnung.
Katholisches Pfarramt St. Bartholomäus
Kirchberg 10
97833 Frammersbach
Telefon: 09355 / 900 900
E-Mail: pfarrei.frammersbach@bistum-wuerzburg.de
Internet: http://www.pg-effata.de
Hirte und Ritter
Zwei Sagen ranken sich laut Elisabeth Kessler um die Entstehung der Kreuzkapelle. In der ersten heißt es, dass einst ein Hirtenknabe am Ort der heutigen Kapelle seine Schafe hütete und beim Spielen im Sand ein kleines Kreuz fand. Der Knabe nahm das Kreuz mit nach Hause, doch am nächsten Tag war es verschwunden. Als er einige Zeit später sein Vieh wieder an besagte Stelle auf dem Berg trieb, lag das Kreuzchen an derselben Stelle. Er nahm es wieder mit, es verschwand erneut und tauchte wieder auf. Daraufhin erbaute man auf dem Berg ein kleines Kapellchen und stellte das Kreuz darin auf. Bald kamen immer mehr Menschen zu dem Kreuz um dort zu beten, so dass man schließlich eine größere Kapelle erbaute und diese dem Hl. Kreuz weihte.
Die zweite Sage berichtet von einem Ritter der Burg Partenstein, der sich beim Jagen verirrt hatte. Als es bereits dunkelte, gelobte er ein großes Kreuz zu errichten, wenn Gott ihm den Weg zur heimischen Burg weise. Kaum hatte er das Gelöbnis getan, entdeckte er in einiger Entfernung einen hell leuchtenden Gegenstand. Als er näher trat, war zwar das Licht erloschen, doch er entdeckte den rechten Weg. Überglücklich markierte der Jäger die besagte Stelle, kehrte nach Hause zurück und errichtete das versprochene Kreuz. Nachdem dieses in einer schweren Gewitternacht umgestürzt war, geriet der Ritter zunächst ins Zweifeln, erbaute dann aber auf den Rat seiner Frau hin eine feste Kapelle zu Ehren des Hl. Kreuzes.
Ein "theueres Erbe der Väter"
Ein Großteil der gesicherten Informationen über die Kreuzkapelle entstammt einem Schreiben des Frammersbacher Pfarrers Stephan Joseph Romeis (1777-1834) aus dem Jahre 1824, in dem dieser sich vehement und mit Erfolg gegen den geplanten Abriss der Kapelle wehrt. In Kombination mit den Ergebnissen aus dem Archäologischen Spessart-Projekt ergibt sich in etwa folgendes Bild:
Im Spessart gab es im 14. Jahrhundert zahlreiche Glasmacher, die während des Sommers in "fliegenden Glashütten" arbeiteten, aus denen später die Dörfer Habichsthal, Heigenbrücken, Neuhütten, Krommenthal und Wiesthal entstanden. Da die von Hütte zu Hütte wandernden Glasmacher nicht an einen festen Ort gebunden waren und der Weg bis zur Pfarrkirche in Lohrhaupten zu weit war, regten die Stiftsherren des Aschaffenburger Stifts St. Peter und Alexander den Bau einer Waldkapelle an. Als Baudatum für diesen ersten hölzernen Kirchenbau an der Wiesener Straße wird meist das Jahr 1349 angegeben. Im Inneren der Kapelle dürfte das schlichte Holzkreuz aufbewahrt worden sein, das der Überlieferung nach bereits vorher an derselben Stelle stand. Seelsorglich betreut wurde die Kapelle von den Aschaffenburger Stiftsherren und dem Pfarrer von Lohrhaupten, der auch die Kinder der Glasmacher taufte. Dank der Unterstützung durch die Stiftsgeistlichen erhielt die Kapelle schon früh einen Partikel des Kreuzes Jesu, was zu verstärktem Zulauf führte.
Mit der Errichtung der Pfarreien Frammersbach und Wiesthal änderten sich im 15. Jahrhundert zwar die Zuständigkeiten, doch die Menschen blieben ihrer Waldkapelle treu. So errichtete man 1483 / 1484 einen ersten altgotischen Steinbau, der etwa acht Meter lang war. 1506 wurde die Kapelle um acht Meter nach Westen verlängert. Ein massiver Zustrom von Gläubigen dürfte etwa um 1675 eingesetzt haben, so dass man die Kapelle im Jahr 1681 nochmals um acht Meter erweiterte; aus dieser Zeit stammt auch der romanische Choranbau im Osten, der 1684 vollendet war. Am 5. August 1685 erteilte Weihbischof Mattias Stark von Mainz der Kreuzkapelle in ihrer heutigen Form ihre kirchliche Weihe.
Trotz mancher Verbote während der Aufklärung zogen bis ins späte 18. Jahrhundert am Fest Kreuzauffindung Prozessionen aus Lohr, Rieneck, Oberndorf, Wiesen und Wiesthal zur Kreuzkapelle. 1810 wurde zum Rochusfest eine Wallfahrt von Frammersbach eingeführt. Erst als das Gebiet unter königlich bayerische Herrschaft kam (1814) und verschärfte Wallfahrtsverbote ausgesprochen wurden, geriet die Kreuzkapelle zunehmend in Vergessenheit.
Dies dürfte mit ein Grund dafür gewesen sein, dass man sich in Würzburg Gedanken über einen Abbruch machte. Zudem plante man seinerzeit einen Neubau der Frammersbacher Pfarrkirche, da das bisherige Gotteshaus für die ständig wachsende Gemeinde zu klein geworden war. Zur Finanzierung des geplanten Neubaus riet das Ordinariat, die Kreuzkapelle abzureißen, um so an das Geld des dadurch frei werdenden Kapellenfonds zu kommen; zugleich hätte man auf diese Weise günstiges Baumaterial für die neue Kirche zur Verfügung gehabt. Pfarrer Romeis widersprach diesen Plänen energisch und bezeichnete die Kapelle als ein sehr „theueres Erbe der Väter" und „unveräußerlich": „Die Gläubigen hängen an dem Gotteshaus mit ganzer Seele...", schreib er weiter: „An den Festen Kreuzauffindung und Kreuzerhöhung strömt das Volk, jung und alt, auch die, so monatelang des Broterwerbs wegen in den entferntesten Gegenden des In- und Auslands sich herumgetrieben, in die Heimat zurück, um nur dem Gottesdienst in der geliebten Kreuzkirche beizuwohnen. (...) Die ganze Umgebung aus dem Spessart, sowie aus dem Mainthal, dem Sinn- und Jossgrund strömt in Prozessionen herbei zur Verehrung des heiligen Kreuzes auf dem Berg, auch in der Bittwoche, am Rochustag und anderen verlobten Tagen."
Wallfahrtskapelle Frammersbach im Bild
Schlichtes Inneres
Heute präsentiert sich die Kreuzkapelle als einfacher flach gedeckter Bau mit eingezogenem, dreiseitig geschlossenem Chor. Der Innenraum ist schlicht und wurde 1947 neu gestaltet. Den Raum dominiert ein wuchtiges Holzkreuz, in das eine Kreuzreliquie eingearbeitet ist. An Stelle der Wundmale Jesu' prangen mächtige rote Glasbrocken, die an die ersten Erbauer der Kapelle erinnern. Der damalige Pfarrer Josef Schott beschrieb Wirkung und Aussage des Kreuzes im Jahr 1949 mit folgenden Worten: „Das roh bearbeitete Holz des Kreuzes und die schmiedeeisernen Wundmale des Herrn erinnern mit ihrer breit ausladenden Wucht an die mancherlei Kreuze über deutschen Menschen. (...) Eine in das Holz eingelassene Reliquie macht jedoch dem gläubigen Beter bewusst, vor dem Kreuze des Herrn zu stehen, vor jenem Kreuze, von dem unser göttlicher Erlöser aus seiner geöffneten Herzwunde Ströme des Erbarmens fließen und selbst alles Bittere und Böse den Liebenden in Segen verwandeln lässt."
Die Fenster im Chorraum wurden 1963 durch Betonglasfenster von Lukas Gastl ersetzt. Die Motive der Buntglasfenster stehen mit Leben und Tod Jesu in Beziehung: Das linke Fenster, das fälschlicherweise oft als „Sieben Schmerzen Mariens" gedeutet wird, zeigt das Einbrechen des Göttlichen in unsere Welt oder die Menschwerdung Gottes in Jesus. Es folgt rechts das Angesicht Jesu im Schweißtuch der Veronika, das auf den Tod Jesu' am Kreuz verweist. Ganz rechts schließlich der Phönix, der im Feuer zu Asche verbrennt, und daraus zu neuem Leben ersteht – ein Symbol für die Auferstehung.
Die beiden Seitenaltäre aus rotem Sandstein stammen von Karl Hornung (1978) und stellen zwei Stationen des Leidensweges Jesu dar: Rechts Simon von Cyrene, der Jesus beim Tragen des Kreuzes hilft; links eine Pietà-Darstellung, die den toten Jesus im Schoß seiner Mutter zeigt.
Das Gemälde über dem nördlichen Seiteneingang zeigt die Auffindung des hl. Kreuzes durch Kaiserin Helena im 4. Jahrhundert.
Kreuz-Verehrung heute
Neben Einzelbesuchern und Ausflüglern, die immer wieder in der Kapelle anzutreffen sind, ziehen die Christen aus Frammersbach und Habichsthal auch heute noch regelmäßig in feierlichen Prozessionen zur Kreuzkapelle hinauf. Feste Termine im Kirchenjahr sind hier die Feste Kreuzauffindung (3. Mai) und Kreuzerhöhung (14. September), die jeweils am Sonntag vor oder nach dem eigentlichen Fest gefeiert werden.
Die Prozessionen starten jeweils an der Pfarrkirche Frammersbach und ziehen dann durch Wiesen und Weiden den Berg hinauf zur Kapelle. Der Andachtsweg wird von sechs markanten Punkten gesäumt, die zum Innehalten einladen: Das Kreuz in der Wüste (von „Wüstung", „Rodung") am Kirchberg, das Marterl an der Kastanie in der Wiesener Straße (Abzweig Unteres Hofreither Tal) und die fünfte Station eines einst geplanten, aber nie verwirklichten Kreuzwegs am Ortsrand in Richtung Kreuzkapelle; etwa auf halber Höhe steht ein Kreuz mit Lilien und Taube, das an den Weißen Sonntag im April 1945 erinnert, als die Amerikaner den Ort zunächst sporadisch beschossen und dann wie durch ein Wunder verschonten; kurz vor Erreichen der Höhe findet der Wanderer ein Marterl mit einem Familienbild, und kurz vor der Kreuzkapelle am Waldweg in Richtung Partenstein schließlich eine Muttergottes der Schönstatt-Familie.
Anja Legge
Mit Material von Elisabeth Kessler und aus dem Archäologischen Spessartprojekt