"Du schaust wie die Muttergottes von Schmerlebach", sagt man zuweilen in Franken und meint damit Menschen, die besonders bedrückt dreinschauen. In der Tat zeigt das Gesicht der Pietà zutiefst empfundenen Schmerz und unendliche Trauer – und wird damit zum Spiegelbild des Leids und zur Anlaufstelle für viele Leidgeprüfte. Darüber hinaus blickt Schmerlenbach auf eine reiche klösterliche Tradition zurück: 1218 als adeliges Frauenkloster gegründet, wurde der Ort bis 1807 von Benediktinerinnen bewohnt. Nach dem Tod der letzten Äbtissin wurde das Kloster 1808 aufgelöst. Die Klostergebäude verfielen, bis 1982 das Bistum Würzburg die alten Gemäuer erwarb und hier das diözesane Bildungs- und Exerzitienhaus „Maria an der Sonne" errichtete. Heute ist das Haus ein Tagungszentrum und kann von Beleggruppen gebucht werden.
Die Pfarr- und Wallfahrtskirche ist täglich von 8 Uhr bis 20 Uhr geöffnet.
Hier finden Sie die aktuelle Gottesdienstordnung.
Pfarrbüro der Pfarreiengemeinschaft "Hösbach - Maria an der Sonne"
Hauptstr. 98
63768 Hösbach
Tel: 06021/52285
Öffnungszeiten Mo, Mi, Mi, Fr 9 bis 11.30 Uhr, Do 14 bis 18 Uhr
E-Mail: pg.hoesbach@bistum-wuerzburg.de
Internet:
www.wallfahrtskirche-schmerlenbach.de
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Schmerlenbach - Tagungszentrum des Bistums Würzburg
Schmerlenbacher Str. 8
63768 Hösbach
Telefon: 06021 / 63020
E-Mail: info@schmerlenbach.de
Internet: www.schmerlenbach.de
Von der Klosteranlage zum Bildungshaus
Fast 800 Jahre reicht die Tradition Schmerlenbachs in die Vergangenheit zurück: 1218 stiftete der Würzburger Domherr Gottfried von Kugelnberg hier das adelige Frauenkloster „Maria im Hagen". Benediktinerinnen aus Wechterswinkel in der Rhön besiedelten die Neugründung, ihre Lebensgewohnheiten richteten sie an den strengen Regeln der Zisterzienser aus. Vermutlich schon kurz nach der Klostergründung wurde auch mit dem Bau einer Kapelle begonnen. Bereits ab 1240 trägt das Kloster den Namen Schmerlenbach – nach dem Bach, der das Gelände durchfließt und in dessen Wasser die Schmerlen schwammen. Irgendwann im 16. oder 17. Jahrhundert tauchte der bis heute geläufige Beiname „Maria an der Sonne" auf.
1758 war die Klosterkirche so baufällig geworden, dass sich Äbtissin Maria Engelberta von Rodenhausen gezwungen sah, die der hl. Agatha geweihte Kirche abzureißen und neu zu errichten. Der barocke Neubau steht bis heute. Nach dem Tod der letzten Äbtissin im Jahre 1807 wurde das Kloster 1808 aufgelöst. Gebäude und Liegenschaften blieben im Besitz des Mainzer Fürstbischofs Karl von Dalberg. Er errichtete in Schmerlenbach eine Stiftung für ein Priesterseminar. 1812 wurde Schmerlenbach Pfarrei und die Wallfahrtskirche zur Pfarrkirche. Die ehemalige Klosteranlage wurde bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts hinein überwiegend privat genutzt. 1976 zogen in den Ostteil der weitläufigen Anlage Werkstätten der Lebenshilfe ein. 1982 erwarb die Diözese Würzburg die verfallenden Klostergebäude und errichtete dort zwischen 1983 und 1985 das Bildungs- und Exerzitienhaus „Maria an der Sonne". Der gelungene Neubau orientiert sich bewusst am alten Klostergrundriss und gliedert noch erhaltene Bauteile in ein harmonisches Ganzes ein. Heute ist das Haus ein Tagungszentrum und kann von Beleggruppen gebucht werden.
Wallfahrtskirche Schmerlenbach im Bild
Anlaufstelle für Einzelpilger
Das Marienheiligtum in Schmerlenbach zieht bis heute Besucher aus dem gesamten Untermain-Gebiet und angrenzendem Hessen an. Mindestens bis in das Jahr 1518 reicht die Schmerlenbacher Wallfahrtstradition zurück: In dieser Zeit gründete die bedeutendste Äbtissin des Klosters, Elisabeth von Wertheim, eine Anna-Bruderschaft und erwirkte besondere Ablässe für die Klosterkirche. Die Wallfahrt war jedoch offenbar nur von kurzer Dauer, denn bereits 1618 berichtet der Aschaffenburger Jesuitenpater Gamans, dass die Prozession nach Schmerlenbach am Annatag wieder ins Leben gerufen werden sollte; dies gelang jedoch erst ab 1655. Auch aus den folgenden Jahrhunderten gibt es kaum Nachweise größerer Wallfahrergruppen.
Für verstärkten Zulauf in jüngerer Zeit sorgte der Abschluss der jüngsten Renovierung (2017-2019). Zudem ist die Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Agatha eine gefragte Hochzeits- und Taufkirche und ganzjährig Anlaufstelle für Einzelpilger und Kleingruppen. Der Erfahrung der Seelsorger vor Ort schätzen die Besucher, dass die Kirche nicht zu groß ist und Schönheit des Glaubens und Leid verbindet: „Hier bringt der Mensch die Spannungen seines Lebens zusammen, hier findet er Heimat.“, so Pfarrer Matthias Rosenberger. Darüber hinaus spüre man hier sehr deutlich, dass der Raum Tradition atmet: „Das, was die Menschen durch Jahrhunderte des Glaubens getragen hat, hat auch heute eine tiefe, innere Wahrheit.“
Auf Augenhöhe
Seinen Grundcharakter – ein saalartiges, schmales Langhaus mit einem lichten Chor – hat das Gotteshaus auch nach der Renovierung behalten. Stuckornamente, Blumengirlanden, Rosetten und Engelsköpfe dominieren den Gesamteindruck, ohne dabei jedoch überladen zu wirken. Den sieben Fenstern auf der Südseite entsprechen Blendrahmen im Norden, die Symmetrie vortäuschen und den Anschein einer freistehenden Anlage erwecken. Hinter einem dieser Blendrahmen ist das Bild einer Nonne am Betpult zu erkennen, die zum Gekreuzigten aufblickt. Man sagt, in den Jahren nach dem Kirchenbau habe eine Nonne hier, im Bereich des oberen Kreuzgangs ein Feuer entdeckt und den Bau vor den Flammen gerettet. In der Tat wurde bei einer Renovierung ein uralter Kamin mit Brandspuren entdeckt, der diese Geschichte bestätigt.
Das Gnadenbild - ein Lindenholz-Vesperbild aus der Zeit um 1380 - steht seit der Renovierung auf einer Stele auf Augenhöhe der Gläubigen. Den Begriff der Gnade hält Matthias Rosenberger gerade in einer Welt, in der alles perfekt sein muss, für zentral. „Hier muss der Mensch nicht gnadenlos erfolgreich sein. Hierher kann er mit all den unvollkommenen und schmerzhaften Seiten des Lebens kommen, hier erfährt er Solidarität und Kraft, hier wird er in allem, was ihm an Leid in den Schoß gelegt wird, von Gott getragen.“ Das Gold, das hinter dem Bildnis aufstrahlt, steht für ihn für das Osterleuchten – „schließlich ist die Pietà kein Endbild, sondern nur ein Zwischenbild des Glaubens“.
Einen neuen Platz in einem separaten Raum unter der Empore hat die anmutige „Schöne Madonna“ aus der Zeit um 1400 gefunden. Unscheinbar, aber durchaus beachtenswert ist das Sandsteinrelief aus dem 16. Jahrhundert unter der Empore – ist es doch ursächlich für den Namenszusatz der Pfarreiengemeinschaft „an der Sonne“. Im Altarbild der „Aufnahme Mariens in den Himmel“ schließlich wird dem Besucher vor Augen geführt, was denjenigen erwartet, der sich ganz auf Gott einlässt.
Spiegel der Himmelsherrlichkeit
Auch der durch das Entfernen der Kommunionbank neu geöffnete Altarraum wurde im Zuge der Renovierung neu gestaltet: Altar, Ambo, Kerzenständer, Sedilien und Gnadenbild-Stele wurden von der Künstlerin Madeleine Dietz aus Landau (Pfalz) entworfen und wirken durch den gekonnten Mix aus Messing, Stahl und Blattgold leicht und transparent. Für Pfarrer Rosenberger bilden sie ein wohltuendes Gegengewicht zum mächtigen Barock und eine gelungene Verbindung von Tradition und Moderne. In den neuen Altar, der im März 2019 von Bischof Franz Jung geweiht wurde, sind Reliquien des Hl. Martin (ehemalige Zugehörigkeit zum Bistum Mainz), des Hl. Burkard (Zugehörigkeit zum Bistum Würzburg) und der Hl. Hildegard von Bingen (Tradition des Benediktinerinnenklosters) eingelassen. Eine Bordüre aus gerissenem Ton steht für den Lebensort Erde, beim Blick auf die goldene Fläche der Altarmensa spiegelt sich die Himmelsherrlichkeit aus dem Deckengemälde.
Wer aufmerksam hinsieht, wird feststellen, dass die Figuren der Seitenaltäre vertauscht wurden und jetzt in den Raum hineinblicken: Im linken Seitenaltar steht in der Mitte eine Anna Selbdritt, darunter die Heiligen Juliana mit dem Teufel an der Kette (links) und Katharina mit dem Rad (rechts). Auf der rechten Seite in der Mitte steht die Figur der Kirchenpatronin Agatha, darunter die Heiligen Valentin (links) und Sebastian (rechts).
Der bisher gedrängt unter der Empore angebrachte Kreuzweg ist durch die neue Hängung wieder ein echter Kreuzweg, und auch der Taufstein hat durch seine neue Position gegenüber des Eingangs wieder seine Symbolkraft als „Eingang ins Christsein“ zurück erhalten. Überarbeitet und in zarte Gelb-, Rosa und Blau-Gründe gebettet wurden schließlich die Deckengemälde mit der Verherrlichung des hl. Benedikt und dessen Missionswerk (Langhaus), der Dreifaltigkeit und den Kirchenvätern Ambrosius, Gregorius, Hieronymus und Augustinus (Chor) sowie dem Martyrium der hl. Agatha mit Scholastika, Lioba, Ottilia und Hildegard (unter der Orgel).
Anja Legge