Am Aschaffenburger Sandtor steht die so genannte Sandkirche, die durch die wundersame Auffindung eines Muttergottesbildes zu einer Wallfahrtsstätte wurde. Der im Volksmund bekannte Beiname des Gotteshauses „zur weißen Lilie" verweist auf die Legende, nach der dort verehrte Gnadenbild aus dem 14. Jahrhundert einst unter einer weißen Lilie aufgefunden wurde.
Seit der Aufstellung der Figur in einer Nische am Sandtor entstanden zunächst verschiedene Kapellenbauten, bis schließlich im 18. Jahrhundert ein großer Neubau in Angriff genommen wurde. Heute besticht die Sandkirche durch eine heimelig-familiäre Atmosphäre, die Menschen aus der ganzen Stadt anzieht. Im Rahmen der Aschaffenburger City-Pastoral gibt es dort regelmäßig geistliche Impulse für einen im Alltag gelebten Glauben.
Heimelige Stadtkirche
Die Kirche ist täglich von 10 bis 17 Uhr geöffnet.
Stiftspfarramt St. Peter und Alexander
Stiftsgasse 5
63739 Aschaffenburg
Telefon: 06021 / 22420
E-mail:stiftsbasilika.aschaffenburg@bistum-wuerzburg.de
Unter der weißen Lilie
Ein einheimischer Schäfer – in einer anderen Überlieferung ist von einem fremden Kriegsmann die Rede – soll einst im Gebüsch an ungewöhnlicher Stelle eine weiße Lilie erblickt haben. Als er die Pflanze, die als Symbol für Seelenreinheit, Keuschheit und Jungfräulichkeit gilt, ausgraben wollte, stieß er aber nicht auf die Wurzeln der Pflanze, sondern ein Muttergottesbild. Von den Bürgern der Stadt wurde das Gnadenbild in die Stiftskirche gebracht, am nächsten Morgen jedoch war es wieder an seine Fundstelle zurückgekehrt. Nach zwei weiteren vergeblichen Anläufen verblieb die Figur schließlich an ihrer Fundstelle und wurde in einem Torbogen der Stadtmauer aufgestellt. Da in der Folge immer wieder Menschen Zuflucht bei dem Bildnis suchten, wurde der Ort nach und nach zu einem kleinen Kapellenraum ausgebaut.
In den Urkunden ist erstmals im Jahr 1431 von einem „Heyligen Hues vor der Sant Porthen" die Rede. 1517 erbaten die Aschaffenburger dann die Genehmigung zum Bau einer „Kapelle zur weißen Lilie" „unter der Sandpforten". Die ersten Wallfahrten kamen 1606 zur Sandkirche, als Überlebende einer Pestepidemie im heutigen Stadtteil Damm aus Dankbarkeit zum Gnadenbild zogen. Auch der Jesuitenorden, der ab 1612 in Aschaffenburg tätig war, förderte die Wallfahrt. 1625 gründete Jesuitenpater Falco im Zuge der Gegenreformation die „Marianische Herren- und Bürgersodalität" (heute Männersodalität). Bis heute ist die Sandkirche Ausgangs- und Zielpunkt der jährlichen Kreuzprozession in der Fastenzeit und der Lichterprozession im Oktober.
Da die Kapelle dem Pilgeransturm nicht mehr gewachsen war, begann man 1699 einen Neubau mit drei Altären, Orgel und Kanzel. Mit der Bedrohung Europas durch die Schwarze Pest 1755 stieg die Zahl von Bittgängen sprunghaft an: Auch die Aschaffenburger gelobten einen Sandkirchen-Neubau, wenn die Seuche an ihrer Stadt vorüberginge. Aschaffenburg wurde verschont und so beauftragten Stadtrat und Bürgerschaft Reichsgraf Franz Wolfgang von Ostein, den Baumeister der Pfarrkirche von Amorbach, für den Neubau, der 1757 geweiht wurde.
Obwohl während der Aufklärung Jesuitenorden und Wallfahrten zeitweilig verboten waren, ließen sich die Aschaffenburger ihre Tradition nicht nehmen. Während des Zweiten Weltkrieg erlitt die Sandkirche kaum Zerstörungen, allerdings fielen ihm im Nachhinein die Deckenfresken von Johann Zick zum Opfer, die 1986 durch den Würzburger Wolfgang Lenz neu gemalt wurden.
Üppige Barockfülle
Die Sandkirche präsentiert sich als dreijochiger Saalbau aus rotem Mainsandstein, der von einem Tonnengewölbe überspannt wird. Das Innere beherrschen drei üppige Altäre. Der Hochaltar aus Stuckmarmor wurde 1756 vom Mainzer Dompropst Hugo von Eltz gestiftet und ist Zeugnis des spätbarocken Rokoko. Die Räume und Gesimse sind reich bevölkert von Engeln, Putten und Heiligen, darunter die Heiligen Hugo von Lincoln, Nepomuk und Sebastian. Den optischen und geistigen Mittelpunkt bildet das Gnadenbild aus der Zeit zwischen 1350 und 1400. Das geschnitzte, 78 Zentimeter große Lindenholz-Bildnis zeigt die Schmerzensmutter mit ihrem toten Sohn auf dem Schoß.
Die beiden barocken Seitenaltäre mit den Stifterwappen Schönborn-Hatzfeld und Seinsheim-Schönborn stammen von 1710 und standen bereits im Vorgängerbau. Während der linke Seitenaltar dem Hl. Martin als Schutzpatron Aschaffenburgs gewidmet ist, rückt der rechte Altar die Hl. Anna ins Zentrum. Die reich gestaltete Rokokokanzel stammt möglicherweise vom Würzburger Hofstukkateur Antonio Bossi. Beachtenswert ist auch die barocke Kreuzgruppe mit Magdalena aus der Zeit um 1700.
Hinzu kommen weitere Ausstattungsstücke aus neuerer Zeit wie Figuren von Kathi Hock (hl. Aloysius an der Langhauswand, Herz Jesu-Figur am linken Seitenaltar), der Kreuzweg von Adalbert Hock (1933) und die Heimatkrippe des Münchner Malers Theodor Gämmerler, bei der biblische Szenen in heimatliche Landschaftsmotive eingebettet sind (1939).
Länger Zeit nehmen sollte man sich auch für die 1986 neu entstandenen Deckenfresken: Im Gefolge der Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg drang Regenwasser in die Kirche ein, das die Fresken von Johann Zick völlig zerstörte. 1986 erhielt Wolfgang Lenz den Auftrag für ein neues Deckengemälde, wobei er sich bewusst an das Bildprogramm und den barocken Stil Zicks halten sollte. So sind heute im Chor eine Pietà und im Kirchenschiff Kreuzabnahme, Beweinung Christi und Auferstehung der Toten zu sehen, die sich mit vielen zusätzlichen Details um einen lichten Himmelsraum im Zentrum gruppieren.
Wallfahrtskirche Aschaffenburg in Bildern
Ort persönlicher Andacht
Heute ist die Sandkirche vor allem ein Ort persönlicher Andacht und geistliche Anlaufstelle innerhalb der Aschaffenburger City-Pastoral. Durch ihre Lage im Herzen der Stadt und Bürgerkirche über alle Pfarrgrenzen wird sie gerade von Menschen ohne feste Pfarreibindung gerne besucht. Aus diesem Grund ist die Sandkirche stark in das Konzept der Aschaffenburger City-Pastoral mit geistlichen Impulsen verschiedenster Art eingebunden.
Zum Stammpublikum der Sandkirche zählen dabei nicht nur Senioren und alteingesessene Aschaffenburger, sondern zunehmend auch jüngere Menschen, die während des Stadtbummels auf einen Sprung bei der Muttergottes vorbeischauen. Maria kann nach Ansicht der Seelorgenden vor Ort für alle Menschen ein Vorbild sein: „Von ihr können wir lernen, für das Große offen zu sein, aus dem Wissen heraus, dass es auch ohne eigenes Zutun entstehen kann. Sie ist die, die auf Christus zeigt, die uns sagt: Was er Euch sagt, das tut", formulierte es etwa Pfarrer Martin Heim.
Anja Legge