Wenn die Wallfahrer strömen, dann freuen sich nicht nur die Kirchenleute. Denn das Wallen macht hungrig und durstig, und je mehr Mägen gefüllt werden müssen, umso voller werden auch die Gast- und Wirtshäuser am Wegesrand. Doch auch eine andere Zunft profitiert schon seit Jahrhunderten von dem Strom der Wallfahrer: Die Bäcker und Konditoren. Sie bieten genau das Richtige zu einem Glas Wein, einer Tasse Kaffee oder auch einfach nur für zwischendurch: Gebäck und süße Leckereien.
Rezepte bleiben in den Familien
Noch heute gibt es im Bistum Würzburg einige Bäckereien, die traditionelles Wallfahrtsgebäck anbieten. Die Rezepte werden von Generation zu Generation weitergegeben und sind teilweise über hundert Jahre alt. So zum Beispiel die Pfeffernüsse der Bäckerei Reuchlein aus Retzbach-Zellingen. Das Rezept für das lebkuchenartige Gebäck ist in der Familie seit 1856 bekannt, und noch heute werden die Pfeffernüsse das ganze Jahr über gebacken und bei großen Wallfahrten verkauft, aber auch an Wirtschaften, auf Märkten oder an Weinfesten.
Ähnliches gilt für den Gefalteten Wallfahrtsweck aus Steinfeld. Das Rezept der dort ansässigen Bäckerei Scherg vererbte die Familie immer weiter, zum ersten Mal wurde es vermutlich 1901 verwendet. Der Wallfahrtsweck aus Hefeteig hat eine gebogene Form, die Bäckermeister Werner Scherg als betende Hände oder als Symbol für die Ewigkeit deutet. Früher wurde der Weck nur an den großen Bitttagen der Wallfahrer gebacken, heute knetet der Bäcker den Hefeteig jeden Freitag und Samstag. Mit Wallfahren habe das Gebäck leider immer weniger zu tun, räumt Scherg ein: "Es sind keine Wallfahrer mehr da."
Krumme Dürrbeinerchen sind ausgestorben
Genau aus diesem Grund gibt es im Aschaffenburger Stadtteil Schweinheim keine Krummen Dürrbeinerchen mehr. Das mit Safran gefärbte Hefeteig-Gebäck, das seinen Namen von den zwei langen, in der Mitte verbundenen Strängen hat, lohne sich für die Bäckerei Stürmer nicht mehr, sagt Senior-Chef Peter Stürmer. Das Rezept ist über 100 Jahre alt und immer in der Familie geblieben, und vor allem die Teilnehmer der Bittprozessionen im Frühjahr oder die Wallfahrer nach Walldürn griffen gerne nach den Dürrbeinerchen. Doch heute sei eine andere Zeit, betont Stürmer. Gerade die jungen Leute hätten nicht mehr den Bezug zur Religion und zur Wallfahrt.
Dettelbachs Geheimnis: Die Muskatzinen
Im Wallfahrtsort Dettelbach dagegen scheint das Wallfahrtsgebäck ganz und gar nicht bedroht. Zwei Traditionsbäckereien bewahren ein altes Geheimnis: das Rezept der Muskatzinen, einem besonders würzigen Gebäck mit Zimt, Nelken und – wie schon der Name sagt – Muskat. Meister Urban Degen, ein Zuckerbäcker, gilt als Erfinder des Rezepts, dem damit Anfang des 19. Jahrhunderts der große Wurf gelang und der, so erzählen die einheimischen Bäcker, sogar beim bayerischen König ein Patentrecht für die Leckerei erworben hat. Vor seinem Tod gab Degen das Rezept an seine Dettelbacher Kollegen weiter und forderte von ihnen das Versprechen, die Muskatzinen als Spezialität Dettelbachs zu bewahren. Die Familie Dauenhauer vom Café Kehl hat dieses Versprechen wohl sehr ernst genommen: Über hundert Jahre nach dem Tod Degens, im Jahre 1998, ließ sie sich den Namen des Gebäcks beim Patentamt in München schützen. Mehr zu den Muskatzinen gibt es hier zu lesen.